Während bis vor einigen Jahren beim Anal- und Vaginalverkehr der Gebrauch von Kondomen und beim Oralsex die Regel „Raus, bevor es kommt“ die wesentlichen Möglichkeiten waren, sich vor einer Ansteckung mit HIV zu schützen, steht mit der PrEP, nun eine weitere Methode zur Verfügung. Die PrEP besteht in der vorbeugenden täglichen Einnahme eines Medikaments mit den beiden Wirkstoffen Emtricitabin und Tenofovir. Dieses Medikament wird seit langem in der Behandlung der HIV-Infektion eingesetzt. Inzwischen sind auch eine Reihe von Generika verfügbar. Die Einnahme schützt HIV-Negative mit einer ähnlichen Zuverlässigkeit vor der Ansteckung mit HIV wie der Gebrauch von Kondomen. Unter bestimmen Voraussetzungen kann es vom Arzt an HIV-Negative verschrieben werden.6
Nachfolgend einige Antworten auf die häufigsten Fragen:
Die PrEP ist ähnlich sicher wie der Gebrauch von Kondomen. Dies setzt allerdings die zuverlässige Einnahme der Tabletten voraus. Außerdem muss rechtzeitig vor („prä“ bedeutet „vor“) Risikokontakten mit der PrEP begonnen werden. Man geht heute davon aus, dass sie bei Männern bzw. Personen mit Penis nach drei und bei Frauen bzw. Personen mit Vagina frühestens nach sieben Tagen regelmäßiger Einnahme ihre optimale Schutzwirkung entfaltet.6Wie sicher schützt die PrEP vor einer HIV-Infektion?
Die Anwendung der PrEP kann für dich sinnvoll sein, wenn du HIV-negativ bist, aber ein hohes Risiko hast, dich zukünftig mit HIV zu infizieren.7 Ein hohes Risiko besteht zum Beispiel, wenn es dir schwerfällt, regelmäßig andere Schutzmaßnahmen wie Kondome anzuwenden. Wenn du in den letzten 12 Monaten häufiger Risikokontakte (=kondomlosen Analverkehr) hattest und/oder wenn du im letzten Jahr andere sexuelle übertragbare Erkrankungen hattest, sind das deutliche Hinweise auf ein erhöhtes Risiko, dich mit HIV zu infizieren. Auch Substanzkonsum zum Sex („Chemsex“) erhöht das Risiko, weil unter Substanzeinfluss häufig auf Schutzmaßnahmen verzichtet wird. Wenn dies auf dich zutrifft, solltest du mit einem:r in der HIV-Therapie erfahrenen Ärzt:in darüber sprechen, ob die PrEP für dich in Frage kommt. Es wird geschätzt, dass es derzeit bei etwa 10 % der hochaktiven MSM (Männer, die Sex mit Männern haben) in den Niederlanden einen Bedarf für eine PrEP gibt.8Wann kann die Anwendung der PrEP für dich sinnvoll sein?
Die Kosten für die PrEP (Beratung, Medikamente, erforderliche Laboruntersuchungen) werden in Deutschland seit September 2019 unter bestimmten Voraussetzungen von den gesetzlichen Krankenkassen übernommen.9 Da das für die PrEP eingesetzte Medikament bis vor wenigen Jahren noch unerschwinglich teuer war oder weil sie mit dem Wunsch nach einer PrEP keine:n Ärzt:in aufsuchen wollten, haben manche auf die Bestellung ausländischer Generika über das Internet zurückgegriffen. Dies ist jedoch unter Umständen illegal und kann mit einem gesundheitlichen Risiko verbunden sein, weil die Qualität der auf diesem Weg beschafften Arzneimittel nicht immer gewährleistet ist und weil im Rahmen der PrEP zu deiner Sicherheit regelmäßige ärztliche Untersuchungen unbedingt erforderlich sind.Was kostet die PrEP und wer bezahlt sie?
Zunächst muss sichergestellt werden, dass du HIV-negativ bist, weil die alleinige Einnahme von Emtricitabin/Tenofovir bei HIV-Positiven zur Kontrolle der Virusvermehrung im Körper nicht ausreicht und daher zur Bildung resistenter Viren führen kann. Das würde die HIV-Therapie sehr erschweren.10 Außerdem muss durch eine Laboruntersuchung nachgewiesen sein, dass du keine Hepatitis B hast, weil es sonst nach Absetzen der PrEP zu ernsthaften Leberproblemen kommen kann. Falls du noch nicht gegen Hepatitis B geimpft sein solltest, wird dir dein:e Ärzt:in diese Impfung vor Beginn der PrEP empfehlen. Da das zur PrEP eingesetzte Arzneimittel in seltenen Fällen zu Nierenfunktionsstörungen führen kann, sollten deine Nieren gesund sein. Auch dies wird durch Laboruntersuchungen überprüft. Während der PrEP muss alle drei Monate eine Blutuntersuchung durchgeführt werden. Dabei werden jeweils ein HIV-Test gemacht und die Nierenwerte bestimmt. Eventuell kann dein:e Ärzt:in in besonderen Fällen noch weitere Untersuchungen empfehlen. Außerdem solltest du regelmäßig auf andere sexuell übertragbare Infektionen untersucht werden.11 Da dich die PrEP nur dann optimal vor HIV schützen kann, wenn du die Tabletten regelmäßig einnimmst, sollte bei jeder Kontrolluntersuchung besprochen werden, wie gut dir das gelingt.Welche Voraussetzungen musst du für die Anwendung von PrEP erfüllen?
In einer Studie wurde auch die anlassbezogene PrEP („PrEP on demand“) untersucht. Darunter versteht man, dass die PrEP nicht regelmäßig, sondern nur ab zwei bis 24 Stunden vor bis zwei Tage nach einem geplanten Risikokontakt eingenommen wird.10 Die anlassbezogene PrEP hat mehrere Nachteile: Das Einnahmeschema ist nicht ganz unkompliziert. Fehlanwendungen sind daher nicht selten. Diese beeinträchtigen die Sicherheit. Da die PrEP ihre optimale Schutzwirkung erst nach mehrtägiger Einnahme entfaltet, ist der Schutz der anlassbezogenen PrEP wahrscheinlich etwas geringer als bei der täglichen Einnahme. Mehrere medizinische Fachgesellschaften empfehlen diese Methode deswegen bisher nicht. Das Medikament ist für diese Art der Anwendung nicht zugelassen. Wenn ein Arzt sie dennoch verordnet, setzt er sich unter Umständen einem juristischen Risiko aus. Aus diesen Gründen ist die regelmäßige tägliche Einnahme der PrEP nach gegenwärtigem Kenntnisstand die empfehlenswertere Methode. Da ständig weitere Studien durchgeführt werden, könnte sich das in der Zukunft jedoch ändern.Gibt es Alternativen zur täglichen Einnahme?
Nebenwirkungen: Es handelt sich bei der PrEP um ein Medikament, das in der Regel gut vertragen wird. Dennoch können Nebenwirkungen auftreten. Insbesondere ist auf mögliche Nierenfunktionsstörungen zu achten. Daher werden die Nierenwerte in regelmäßigen Abständen überprüft. Weitere Nebenwirkungen können z. B. Magen-Darm-Beschwerden sowie Kopfschmerzen, Schwindelgefühl und Hautausschlag sein. Alle bisher beobachteten Nebenwirkungen sind im Beipackzettel des Medikaments aufgeführt.7 Erhöhtes Risiko anderer sexuell übertragbarer Infektionen: Wenn unter der PrEP auf den Gebrauch von Kondomen verzichtet wird, besteht möglicherweise ein erhöhtes Risiko, sich mit anderen sexuell übertragbaren Infektionen anzustecken. Wie hoch dieses Risiko tatsächlich ist, wird kontrovers diskutiert. Stigmatisierung und Diskriminierung: Leider wird der Gebrauch der PrEP gerade in der schwulen Szene mitunter mit sexueller Zügellosigkeit gleichgesetzt und moralisch verurteilt (siehe hierzu auch den Artikel „HIV-Infektion als Stigma: Wie gehe ich damit um?“). Das Gegenteil ist der Fall: Wer die PrEP anwendet, zeigt damit, dass er Verantwortung für sich und seine Gesundheit übernimmt. Außerdem bieten die bei der PrEP regelmäßig durchgeführten HIV-Tests (und Untersuchungen auf andere sexuell übertragbare Infektionen) die Sicherheit, eine eventuelle HIV-Infektion in einem sehr frühen Stadium zu erkennen und zu behandeln. Das ist nicht nur im Interesse des Betroffenen (siehe hierzu den Artikel „Late Presenter: Warum frühe HIV-Diagnose Leben rettet“), sondern schützt auch die Sexualpartner.Welche Nachteile kann die PrEP haben?
Indem du dich mit dieser Frage an eine:n in der HIV-Therapie kompetente:n Ärzt:in wendest. Sie/er kann dich individuell beraten, deine Fragen beantworten und dir gegebenenfalls das Medikament verschreiben. Damit ein:e Ärzt:in die PrEP zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung verschreiben darf, muss sie/er über eine spezielle Qualifikation verfügen.Wie komme ich an die PrEP?