Veteranentag in Deutschland: Plötzlich gibt es im Bundestag grosse Zustimmung (2024)

Seit mehr als einem Jahrzehnt fordern Verbände einen Veteranentag. Damit sollen die Leistungen der Soldaten anerkannt werden. Doch wer ist überhaupt ein Veteran? Darüber herrscht bis heute keine Einigkeit.

Marco Seliger, Berlin

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Nach Jahren der parteiübergreifenden Skepsis und des Zögerns formiert sich im Deutschen Bundestag nun offenkundig eine Mehrheit für einen Veteranentag. Die Unionsfraktion hat einen entsprechenden Antrag ausgearbeitet, den sie nun ins Parlament einbringen will. Gegenüber der NZZ haben auch die Regierungsparteien – Sozialdemokraten, Grüne und Liberale – ihre grundsätzliche Befürwortung eines solchen Tages bekundet.

Verteidigungsminister Boris Pistorius hatte am Rande der Invictus Games vorige Woche in Düsseldorf erklärt, er würde einen solchen Schritt unterstützen, die Initiative müsse aber aus dem Parlament kommen. In ihrem Antrag fordern Christlichdemokraten (CDU) und Christlichsoziale (CSU) nun die Bundesregierung auf, «einen nationalen Veteranentag zu etablieren, welcher jährlich am 12.November, dem Gründungstag der Bundeswehr, gefeiert wird». Damit sollten der Dienst, die Leistungen und die Opfer aller Soldaten angemessen gewürdigt werden. Das Papier liegt der NZZ vor.

Seit 2010 fordern Verbände einen Veteranentag

Es ist nicht das erste Mal, dass die Forderung nach einem Veteranentag in Deutschland laut wird. Seit 2010 haben sich Soldatenverbände und einzelne Politiker wiederholt für einen solchen Tag starkgemacht. Doch über Jahre stritten vor allem das Verteidigungsministerium, Veteranen- und Soldatenverbände darüber, wer überhaupt ein Veteran ist. So wollten Veteranenorganisationen den Begriff strikt auf Soldaten anwenden, die in Auslandseinsätzen gedient haben. Bundeswehr- und Reservistenverband wiederum befürworteten eine Regelung, die den Begriff weiter fasst. Danach sollte jeder Soldat ein Veteran sein, der irgendwann einmal in der Bundeswehr gedient hat. Schliesslich gab es noch eine dritte Gruppe, angeführt von der damaligen Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen. Sie wollte, dass alle ehemaligen sowie aktiven Soldaten als Veteranen gelten.

Von der Leyen setzte sich durch. Ihre Definition des Veteranen-Begriffs findet sich auch im Antrag der Unionsfraktion wieder. «Unsere Frauen und Männer in Uniform, diejenigen, die gedient haben, diejenigen, die derzeit aktiv dienen, und diejenigen, die in der Reserve bereitstehen, kurzum: die Veteranen der Bundeswehr, verdienen Respekt, Anerkennung und Würdigung für ihren Dienst», heisst es darin. Die Frage ist, warum bei dieser alles inkludierenden Definition noch von einem Veteranentag die Rede sein sollte.

Veteranen-Begriff auch in der Union nicht unumstritten

Im Grunde handelte es sich um einen Soldatentag, zumindest wenn man die Veteranen-Definition in anderen Ländern zugrunde legt. In den USA zum Beispiel gilt als Veteran, wer in den Streitkräften gedient hat und nicht unehrenhaft entlassen wurde. Ähnlich ist es in Grossbritannien. Dort darf sich jeder Veteran nennen, der Soldat war, unabhängig von Alter und Dienstdauer. Aktive Soldaten aber, so wie es in Deutschland der Fall ist, haben in beiden Armeen keinen Veteranen-Status.

Die von der Union in ihrem Antrag gewählte Definition ist in den eigenen Reihen durchaus nicht unumstritten. Roderich Kiesewetter, Aussen- und Sicherheitsfachmann und vor seinem Bundestagseinzug Berufssoldat, sagt, ein Veteranentag passe nur, wenn Deutschland endlich die Veteranen-Definition verändere. Entweder sie werde auf Auslandseinsätze und einsatzgleiche Verpflichtungen sowie Einsätze in der Landes- und Bündnisverteidigung beschränkt oder auf Soldaten, die aufgrund ihres Alters nicht mehr zum Wehrdienst herangezogen werden könnten.

Veteranentag bisher kein wichtiges politisches Anliegen

Die deutsche Debatte darüber, wer ein Veteran ist, kaschierte den politischen Unwillen, sich beim Thema Veteranentag festzulegen. Es hat gut zwei Jahrzehnte der Auslandseinsätze gedauert, ehe die Politik überhaupt anerkannt hat, dass sich vor allem die in Afghanistan und auf dem Balkan eingesetzten Soldaten auch als Veteranen verstehen und entsprechend gewürdigt werden möchten. Seitdem entstand jedoch nie der Eindruck, als sei den Parteien im Bundestag die besondere Würdigung dieser Soldaten durch einen Veteranentag ein wirklich wichtiges Anliegen. Auf linker Seite wurde die mögliche Einführung eines solchen symbolischen Tages mit einer Militarisierung Deutschlands gleichgesetzt.

Die am Samstag in Düsseldorf zu Ende gegangenen Invictus Games, die internationalen Sportwettkämpfe versehrter Soldaten, haben der Debatte um einen Veteranentag nun neue Aufmerksamkeit gegeben. Der deutsche Bundeswehrverband, der mehr als 200000 in der Mehrzahl aktive Soldaten vertritt, hatte im Vorfeld die Hoffnung geäussert, Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier werde in seiner Rede auf der Abschlusszeremonie am Samstag die Einrichtung eines solchen Tages verkünden. Doch Steinmeier sagte lediglich, er wolle sich dafür einsetzen, «dass der Respekt vor Ihrem Einsatz für Ihr Land und Ihre Landsleute auch nach dem Ende dieser acht Tage mitten in unserer Gesellschaft weiterlebt und wächst».

Soldaten wollen Anerkennung der gesamten Gesellschaft

Der Vorsitzende des Bundeswehrverbands, André Wüstner, forderte am Montag «weitere Schritte zur Entwicklung der Veteranenkultur noch in dieser Legislaturperiode». Ein Element davon könne ein Veteranentag sein. «Dabei ist es aber ganz wichtig, dass es ein Tag ist, der die Anerkennung und die Wertschätzung der gesamten Gesellschaft zum Ausdruck bringt. Was wir nicht brauchen, ist ein weiterer Tag ‹von der Bundeswehr für die Bundeswehr›», sagte Wüstner der NZZ. Der Vorsitzende des Bundes deutscher Einsatzveteranen, Bernhard Drescher, ergänzte, der Geist der Invictus Games dürfe jetzt nicht verpuffen. Ein noch weiteres Zögern bei der Einrichtung eines Veteranentages forciere die Unglaubwürdigkeit jeder Entscheidung, sagte er.

Aus den Parteien der Ampelregierung gibt es breite Zustimmung für einen Veteranentag. «Nicht erst seit den Invictus Games sind wir als Freie Demokraten der Meinung, dass es einen solchen fest verankerten Tag geben sollte, um den Soldatinnen und Soldaten Respekt zu zollen, die seit Jahrzehnten ihren Kopf für unsere Freiheit in Frieden hinhalten», sagte Marie-Agnes Strack-Zimmermann, die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses, der NZZ.

Andreas Schwarz, Haushalts- und Verteidigungsexperte der Sozialdemokraten, äusserte, ein Veteranentag gedenke, erinnere, sage Danke und zeige, dass Deutschland stolz auf seine Soldaten sei. Sara Nanni von den Grünen sagte, die Grünen seien «nicht grundsätzlich abgeneigt». Vor den Symbolen müsse aber die fachliche Arbeit kommen. Vor allem bei der Fürsorge von Veteranen gebe es viel zu tun.

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